Alberto, du hast eine internationale Karriere als DJ gemacht, bevor du dich entschlossen hast, dich dem Familienunternehmen zu widmen. Welche Erfahrungen hast du aus dieser Zeit für dich mitgenommen?
Meine Karriere als DJ und Produzent hat sicherlich zu einer breiteren Sichtweise auf Trends beigetragen. Musikveranstaltungen, Festivals und Clubs bieten eine Plattform für das Zusammentreffen von Kulturen und Subkulturen, und manchmal treffen sogar Avantgardisten/Avantgardistinnen aufeinander, was wirklich inspirierend sein kann.
Es hat Spaß gemacht. Sehr viel Spaß. Aber es war auch eine herausragende Erfahrung, die mir geholfen hat, einige meiner beruflichen Fähigkeiten und Fachkenntnisse zu entwickeln.
Meine Karriere als DJ und die Tourneen mit meiner Band haben sich eine ganze Weile, fast zehn Jahre lang, mit meinem „normalen“ Leben im Textilgeschäft überschnitten. Das hat mein Leben wirklich interessant gemacht. Mir wurde bewusst, dass sich die Welt verändern würde – oder dass zumindest ein großer Wandel in Bezug auf Kommunikation und Digitalisierung bevorstand. Und vor allem ein bewussterer Umgang mit dem Thema Konsum.
Nachhaltigkeit, sowohl als Wort als auch als Konzept, war Anfang der 2000er Jahre noch nicht etabliert. Es befand sich in seiner allgemeinen Bedeutung noch in der Entwicklung – und das tut es offen gesagt immer noch. In der Tat ist Nachhaltigkeit keine abgeschlossene Aufgabe. Es ist vielleicht treffender, Nachhaltigkeit als einen Prozess zu definieren, der sich im Laufe der Zeit weiterentwickelt und versucht, sich selbst zu perfektionieren.
Seit dem Jahr 2021 leitest du Candiani in der vierten Generation und hast dich dem Ziel verschrieben, durch nachhaltige Innovationen einen umweltfreundlichen Weg in der Denim-Produktion einzuschlagen. Erzähl uns etwas über die grüne Transformation, die Candiani durchlaufen hat.
Ehrlich gesagt, musste ich Candiani nicht wirklich in einen umweltfreundlicheren Betrieb umwandeln. Ich versuche einfach nur, ihn zu perfektionieren, wobei ich mir dessen völlig bewusst bin, dass Perfektion nicht existiert oder zumindest nicht wirklich erreichbar ist. Aber das ist die Herausforderung, die ich am meisten liebe, und der Kampf, der alles interessant hält.
Candiani liegt historisch gesehen in einem nationalen Naturschutzgebiet (Parco Del Ticino), und dieser Aspekt hat die grüne Umgestaltung beeinflusst. Bereits seit mein Großvater in den frühen 70er Jahren für das Familienunternehmen verantwortlich war, haben wir uns an strengen Umweltauflagen orientiert. Wir konnten damals nicht wie unsere Konkurrent:innen wirtschaften, sondern mussten viel sauberer arbeiten. Diese Anpassung hat uns schon damals in eine „grünere Richtung“ geführt.
Genau wie mein Vater bin ich von Innovationen besessen. Heutzutage können bedeutende Innovationen nur nachhaltig sein oder wir können sagen, dass relevante Nachhaltigkeit nur stattfindet, weil wir industrielle Prozesse und Produkte so entwickeln, dass sie ihre Umweltauswirkungen verringern oder neutralisieren können.
Candiani hat heute den Ruf, die „grünste Weberei Europas“ zu sein. Bleiben da noch Aufgaben für die Zukunft?
In der Zukunft geht es darum, die Umweltauswirkungen, wenn möglich, sogar positiv zu gestalten. Bei Candiani möchten wir zirkuläre Stoffe herstellen, die vollständig recycelbar, biologisch abbaubar und kompostierbar sind. So können die Abfälle im Produktionsprozess oder das Produkt am Ende seiner Lebensdauer der Natur zurückgegeben werden, um den Boden zu nähren und die Landwirtschaft zu bereichern.